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Bayreuth, 19ten Juni 1807.

Mein Thieriot. Ich bin froh zu wissen wo Du bist, das ich aus Deinem Brief, den "Richter kriegen sollte" heraus gelesen.

Nein, Thieriot, solche Briefe sollten Richtern nie zu gedacht werden, noch weniger er kriegen.

Dikt sollte mit Dir nicht einmal so schriftlich spaßen dürfen, viel weniger mit einem Manne wie Richter.

Die Eva und der Dikt haben kürzlich unter Richters Addreße einen Spaßbrief hier her geschickt; ich behaupte noch immer er gehört Dein; er glaubt er ist sein. und sich sehr gekränkt und nach meinem Gefühle – mit Recht.

Erlaub' es daher nie mehr, zartfühlend und handelnder Thieriot, daß unsers Richters Würde aus den Augen |2 gelassen werde.

Überhaupt, unter uns gesagt, find' ich keinen sonderbaren Witz darinn, Dir so oft den gemeinen Dialect brieflich mitzutheilen.

Von Deiner guten Hand hab' ich "Nürnberg 27 Mai, Abends" ; "Fürth 28ten, frühe "; Ein Billet bei Richter eingeschlagen , worinn Du mit mir zufrieden bist, wenn ich es mit Dir nicht bin und schweige.

Ich kann nur dann mit mir zufrieden seyn, wenn ich Dir's sage, wie ich bin, ich sei dann un- oder zufrieden.

Alles was ich Dir je gesagt habe, durfte Dich nie quälen und darf es nie, auch wenn ich Dir's noch nach sage.

Werde nur Dein, werde also mein wieder, dann bist Du zufrieden mit mir, dann ich es mit Dir.

Fragst Du mich heute noch: soll Kinder ich jetzt von ihr schon haben? Nein, sagt Dein Emanuel Dir. Sagst |3 Du mir: sie hat Kinder von mir, dann lieb' ich nicht nur Dich, nicht nur sie; Euch und Eure Kinder liebe dann ich.

Meine Qual verlangst Du von mir zu wissen.

Lese sie und löse sie, mein lieber Thieriot, denn in Dir ist sie und aus mir nur der deutlichere Ausdruck.

Solange Deine Worte mir Unruhe, Unmuth, Unbestimmtheit verkünden, eben so lange kannst und wirst Du Schweigen über Dich von mir erwarten; solltest es aber nicht, denn eben so lange dauert meine aus Dir kommende Qual, die ich, zu meiner Erleichterung – auch Dir, meinem Freunde mittheilen muß.

Möchtest Du nie in diese meine quälende Lage, durch einen Deiner ersten Freunde kommen, mein Thieriot!

Auch Dein wahres Motto: "Mein Herz ist doch beßer als (nur?) dießer Brief" v. |4 5 Juni hab' ich.

"Ruhig und froh" wollt' ich wieder seyn, wenn Du es wieder wärest und es mir mit Ruhe und Freude sagtest.

Und bin ich denn nur ich, bin ich denn nicht das Organ so vieler edlen Menschen, die aus mir heraus, rein Dir Reines, Hohes, Erhabenes Dir wünschen!

Sollen wir, weil wir unschuldig Dich lieben, wie unschuldig liebest uns Du, auch unschuldig leiden – mit Dir wohl – durch Dich? wie Du?

Tritt wie ein Mann fest und kräftig auf; verlaße Dein jetziges schwankendes Leben; handle; sei froh und mache froh, mein guter Thieriot!

Gib mir Deine Hand bald wieder, Deine alte, die mir so viel Gutes gegeben, die mir es immer geben wird.

Dein Emanuel

Zitierhinweis

Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 19. Juni 1807, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1763


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin V, 138
1 Dbl. 8°, 4 S.

Überlieferung

Hk: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 4 S.

D: Abend-Zeitung, Nr. 35, 10. Februar 1843, Sp. 274f.