Von Emanuel an Karl August von Wangenheim. Bayreuth, 20. Juli 1807, Montag
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An Herrn Pr. v. Wangenheim in
Stuttgardt.
Wollen Sie mir Freude machen: so schreiben Sie mir ein Wort und wollen Sie daß dieße größer werde: so geben Sie Worte zu.
Aber es reuet mich Ihre Zeit, wenn Sie mein Denken an Sie, durch einen Brief bezwecken wollen.
So übereilt Thieriots Abreise v. mir, mir schien , so überlegt u weise ist seine Reise zu Ihnen.
Gott stärke ihn in diesem seinen jetzigen Unternehmen u wäre dieß sonst nichts, als daß er in Ihrer Nähe bliebe. Möchten Sie stärker auf ihn wirken, als ich – und die Kunst ihn wieder ganz bezwingen!
|2 Armuth, wenigstens eingebildete, wolle ihm der Himmel verleihen, damit er Brod suche, eine Stelle und Ruhe fände! Sie sorgen auch für mich und lassen mir Geschäfte in fremden Ländern anbieten – wofür ich gegenwärtig blos den Willen und für Sie den verbindlichsten Dank habe und Ihnen ihn auch bringe.
Jetzt wird Deutschland ge- und gar zerschlagen; Landesväter siehet man ohne Landeskinder; diese bekommen Stiefväter; der Preis eines Morgen Landes, das man sich erobert, ist ein treues Landeskind und jeder sogenannte Landesvater dünget mit dem Blute seiner Kinder fremdes Land und – was soll mit diesem Handel mit uns, aus uns werden? Vor der Hand muß ich meine Lebens- u Gütergeschäfte noch in meinem verwaisten Vaterlande treiben, so unbedeutend |3 diese u jene auch sind.
So bald ich aber Freiheit habe, dann seh' ich nicht Arbeit in fremden Lande, sondern Ruhe.
Dann ahm' ich meinem sanften, bescheidnen Landsmann, dem Main nach u gehe mit ihm an Rhein und sterbe nicht, wie mein Vorbild, in ihm, sondern an ihm.
Da nun aus der fürstlichen Dreiuneinigkeit eine fürstliche Dreieinigkeit geworden und wir nun bald die lästige Pflicht der Gastfeindschaft mit der angenehmen der Gastfreundschaft wieder verwechseln werden, hoff' ich auf baldige allgemeine und auch meine Ruhe.
|4 Wenn Sie diesen Brief ohne in ihm einen v. unsrem Richter – der mit den Seinigen wohl ist – zu finden, bekommen, so hat er nicht Wort gehalten .
Ruhe und Friede uns allen: reine Hochachtung, Liebe Ihnen und Ergebenheit!
E.
Zitierhinweis
Von Emanuel an Karl August von Wangenheim. Bayreuth, 20. Juli 1807, Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1765