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Stuttgart oder vielmehr Berg den 9/8.

Ich habe, geliebter Paul! Ihre drei Briefe auf zwei Blättern gestern Abend erhalten. Sie haben haben haben mir Freude mit Leid, und Leid mit Freude gemischt. Aber ich zweifle nicht – die Freude wird oben bleiben, wenn wir einmal in bestimmter Thätigkeit neben einander leben. Aber, Freund! anders muß manches werden. Ich wäre nicht der Ihrige, sagt' ich's Ihnen nicht. Auf der ersten Seite Ihres Briefs ergreifen Sie das Brod und den Arbeitskreiß den Ihnen die angebotene Stelle bietet; Sie sind entschloßen, alle bisherigen Zweifel niederzukämpfen, und darum schloßen Sie Ihren Brief und unterschrieben ihn. Er wurde nicht gleich weggeschikt, und – die Zweifel, die einen Augenblick zuvor nieder gekämpft werden sollten, dürfen es schon wieder wagen, verkleidet hervorzutreten; aber – indem Sie Sich selber eine Masquenfreiheit gegen Sich u Mich herausnehmen und uns beide zu einem schönen Masquen-Spaß des Lebens, der mir jenseits deßelben, aufhören sollte, auffordern – verbieten sie dem Zweifel sich zu demasquiren, und er bleibt nur – als Wunsch nach einer andern, als der gebotenen, Stelle – stehen. Doch nicht lange, so zieht er sich triumphirend aus, und tritt als derbes Nein wieder mit aller Macht auf der dritten Seite hervor. Was ist das? – und was soll das: Also, lieber W! Nein vor der Hand. Nach allem, was vorher geschrieben wurde, müßte es heißen: Also Ja – (und allenfalls) vor der Hand.

|2 Nein, lieber Thieriot! Spielen wir nicht mit einander, und täuschen wir uns nicht. Ihr Probe-Quartal ist nichts als ein Mantel der christlichen Liebe, den Sie um die Blöße der Reue über den Entschluß auf der ersten Seite werfen. – Auch davon sage ich Wächter nichts. Sie können noch eben so fest Nein als Ja sagen. Nur nichts halbes! Meinetwegen muß aber nunmehr jede Antwort an W. durch mich gehen. Davon – wenn Sie kommen – mündlich.

Wenn Sie kommen wollen: so kommen Sie bald, damit Sie mit bei der Exekution der Montalban wirken können. Knecht ist außer Activität gesezt. Er brachte nichts zu Stande. An seiner Stelle dirigirt nun (der Münchner) Danzi, der Kapellmeister worden ist, u von deßen Directions-Gabe man viel Gutes sagt. Ich habe ihn noch nicht gehört.

Ueber Ihre Freundin; und mein, sie betreffendes, Wort über sie, sagen Sie mir gar keins?

Ich habe jezt schwere Tage. Meine Julie ist bedenklich krank. Doch kann sie nur einmal sterben, während die Mutter – an ihrem Krankenbette schon – 10 Tode stirbt.

Leben Sie wohl!

Wangenheim

Laßen Sie mich nur
Ganz Nein, denn ich hatte nur ein halbes Ja. Und Nein vor der Hand Nein, ist ein übermüthig gesprochenes ewig Nein.
Zitierhinweis

Von Karl August von Wangenheim an Paul Emile Thieriot. Berg, 9. August 1807, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1770


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin V, 273
1 Dbl. 4°, 1 ¾ S. Auf S. 3 auR Bemerkung Thieriots, S. 4 Adr.: An | Herrn Paul Thieriot | in | Offenbach | abzugeben bei Herrn | Musikus Hoffmann. | frei Grenze | Pr. v. Wghm. Auf S. 4 Siegelreste. Über dem Brief vfrH: Wangenheim.


Korrespondenz

Auf S. 3 auR Bemerkung Thieriots.