Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Offenbach, 31. Oktober, 21. November und 23. November 1807, Sonnabend bis Montag

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Offenbach, 31. Oktober 1807.

Heimlich bestimm' ich noch immer die Eva Dir, Emanuel. (Das gehe auch meinem Schweigen vorher.) Ihr bliebt beide – mannigfaltig in Äußerem beschränkt – menschlich, und seid einander werth.

Habe Dank, daß Du noch Einmal gekommen bist, sagtest Du, heute drei Jahre, unten innerhalb Richter's Hausthüre stehend, mir Herunterkommenden.

Ich bin nicht ohne Begierden, noch voll Lüsternheit. Wenn ich dies bekämpfe: mein abgestorben Gefühl, meine wachsende Arithmetik muß sie nach und nach tödten.

Ihr heiligen Sterne, seht meinen guten Willen, und segnet ihn.


21. Nov. 1807

Eva gefällt Dir, und Du bist ihr Mann.

Aber ich habe am 11. Oktober im Bett mit ihr gelegen, obgleich sie mein Weib nicht worden – besorge daneben, daß ihr Ruf durch mein Hiersein gelitten – bin wenigstens meinen Namen ihr zu geben schuldig.

Dies (weil ein Anderes – ihr keinen Wohnplatz geben zu können – es kreuzte) unbefriedigte Gewissen hat mir und ihr durch mich seit dem 11. Oktober viele Entbehrung gemacht.


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23. Nov. 1807.

Wenn Einer des Andern Testament sehen könnte, eh' er es zu eröffnen hat, wär' es nicht oft gut?

Mein letzter Wille an Jaques war:

Mein Vermögen, wenn Ihr nichts weiter von mir hört, für Eva an Emanuel.

Ich fühle nur noch zu sehr, was Du hast, nicht was Du bist. Ich fühle auch nur noch zu sehr was Eva hat, und nicht was sie ist. Ich glaube zu fühlen, daß sie hat was Du, Du was sie, Ihr Beide was Ihr entbehrt.

Wenn ich Euch, wenn ich Eins von Euch beiden unglücklich machen muß, leid – aber leider wird mir's sein, wenn ich jetzt unrechtmäßig eine Deinige, Du späterhin vielleicht in einer Andern eine Meinige besitzest.

Scheint es aber Dir, daß auch hier Mein und Dein zwischen uns unterschieden sein nicht dürfe – daß unter Guten und Freien wie das Vermögen so die Weiber gemeinschaftlich sein dürfen, und daß hierin wie mit seinem eigenen Vermögen ein Jeder im Staat für sich verfügen dürfe, wenn er nicht durch auf die Gasse werfen Anstoß giebt, oder mit seiner Gabe prahlt, sondern gleichsam das Gold sich selbst |4 austheilen und sich dahin verfügen läßt, wohin es gehört: so will ich suchen, eines wenn es ordentlich geht so ordentlichen Lebens Meister und dadurch wenn es gut geht selber Knecht zu werden, und lade Dich, – und will die Schlange gewesen sein – (so gut wie den Goethe, wenn ich dürfte) nach Offenbach ein.

Thieriot.

Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Offenbach, 31. Oktober, 21. November und 23. November 1807, Sonnabend bis Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1782


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Textgrundlage

h: BJK, Berlin V, 138
1 Dbl. 8°, 2¼ S (Abschrift wohl von Karl August Varnhagen von Enses Hand). Auf S. 1 Passagen vom 31. Oktober und 21. November 1807, S. 2 leer, S. 3 und 4 Passagen vom 23. November. Über dem Brief von Karl August Varnhagen von Enses Hand: Z. 21. April 1843. (Seltsames Bekenntnis) | Thieriot an Emanuel.


Korrespondenz

Vermutlich wurde dieser Brief (oder diese Briefe) nicht abgesendet, denn Emanuel reagiert in seinen Briefen nicht auf den brisanten Inhalt. Das Datum der Abschrift auf S. 1 oben "zum 21. April 1843" ist das Datum, an dem Karl August Varnhagen von Ense laut seiner Tageblätter den Nachlass Thieriots von dessen Schüler Franz von Woringen bekam, um ihn in seine Sammlung aufzunehmen.