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|1 Bayreuth, 6 Dez. 7

Mein Thieriot! Wenn Du Dich doch lieben könntest, wie ich Dich liebe, oder wenn Du Dich kennen könntest, wie ich Dich kenne!

Vorgenommen hab' ich mirs lange, daß ich Dir nichts mehr sagen will, über meine Kenntniß Deiner.

Doch fragen will ich Dich, doch fragen muß ich Dich, warum Du nicht lieber seyn und bleiben willst, was Du warst und bist – ein guter, seltner Geiger, Du guter, seltner Mensch?

Verlangte man Pestalozziren von Dir – Du würdest einen etwas geigen: so bist Du und so wären alle Deines Gleichen – wenn es welche gäbe.

Gerade der edle Pestalozzi ist nichts für Dich, verzeih, weil Du selbst zu vielen Werth auf eigen gesetzte Worte setzest, worauf aber er keinen setzet, obgleich Dir seine Sprache eben so sehr gefällt als vielleicht sein Wesen und nützende Leer.

Jetzt will ich Deinen Pack offenbacher-Stuttgardter Lese vom 3ten wieder fortlesen:

|2 Am 10ten

Erst zwei Mal hab' ich dieß köstliche Federmal gelesen; aber ich les' es und genieß es gewiß noch oft, obgleich öfter noch ich Dir's verdanke.

Theil der herrlichen Schreiberin von mir mit, was Du willst; von Dir theil ihr nichts mit, sondern laß ihr Dich ungetheilt.

Sie verdients ja immer mehr.

Himmel, gings denn nicht an, daß Du einmal 50 oder 60 Jahre ich wärest und ich diese Spanne Zeit Du?

Unterdessen ging ich nach Stuttgardt, ließ mich auf den Weg dahin – wenn sie wollte, von der Hofmann begleiten und dann bät' ich einen Priester, auf dem Wege oder schon in Offenbach, daß er das Kreutz über mir und ihr machen möchte.

Wenn nun dieser 50-60 jährige Sprung gemacht wäre, dann nahm' ich meinen Emanuel, Du Deinen Thieriot wieder und so müßtest Du sie und sie Dich auf ewig gar behalten und mich dazu.

|3 Kannst Du Dich aber nicht entschliesen zwei Schritte auf ein Mal für Dein Wohl zu thun – da Du wahrscheinlich sonst keinen Fehler hast, als den einzigen, daß Du nicht weißt, was Dir fehlt –: so bleibe wo Du bist.

Ich versichere Dich, daß Du ruhig und ordentlich wirst; so bald Du noch mehr – was Dir unglaublich scheinen wird – unruhig von außen seyn wirst, für das was Du liebst, für Musik und Frau.

Meinen jüngsten Brief wirst Du bekommen haben.

Ich nehme kein Wort zurück, was ich Dir je gesagt habe – so bald sich die Umstände noch so verhalten, wie sie sich damals verhalten hatten; allein verändern sich diese, dann verändert sich Emanuels Ansicht – weil er wohl es meint mit den Seinen – und Worte, aber nie sein Herz.

Also Alles in meinen Briefen hat gegolten und daß es noch giltet, das siehet jederman und besonders Du, aus meinem obigen "Unterdessen pp"

Gestern war unsers Otto's Geburtstags- |4 feyer in meiner Stube.

Richters waren da, Amöne und ihre Schwester – und wir waren um so froher, da wir alle vorgestern gute Briefe aus Memel von ihm gehabt haben.

Von Dir wurde viel gesprochen.

Der gute Uhlfelder läßt Dich eben so herzlich grüssen als Dir danken für das Lied.

Grüß und küß mir Deine Eva, mein guter Adam.

Jaques (12ten Dez.) hat heute den Wangenheim schon bekommen.

Eben schickt mir Richter diesen Brief an Dich.

aDieu, mein guter Thieriot!
Thu was Du willst, sei was Du willst, nur sei nicht krank und sei lieber immer wohl!

Emanuel

Zitierhinweis

Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 6. bis 13. Dezember 1807, Sonntag bis Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1787


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin V, 138
1 Dbl. 8°, 4 S.


Korrespondenz

Der Brief wurde zusammen mit Jean Pauls Brief an Thieriot vom 11. Dezember 1807 gesendet, wie aus Jean Pauls Billett an Emanuel vom 13. Dezember 1807 hervorgeht. Jean Paul, der diesen Brief Emanuels an Thieriot vor dem Absenden las, bemerkt dazu im Billett vom 11. Dezember 1807 an Emanuel: "Sie haben eine ganze Seite lang Recht, was selten die Autoren haben."