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Ich bekenne, daß ich diese Einlage aus Yverdon an Sie schon 11 Tage habe.

Es ist eine traurige Zeit jezt, u. mir ist es als hätte sich der Himmel weiter entfernt, und zög' mich gewaltiger an sich –

Ich glaube nicht daß es gut ist so wie es jetzt ist – und ich glaube Ihnen sagen zu müßen daß ich jetzt gar nichts mehr an Th. schreiben kann …. So wie ich an ihn schreiben will, fang ich an mich zu besinnen u. an allem zu zweifeln, ob es ihm auch gewiß nicht schadete – hab' ich mich dann lange bedacht u. glaube daß es recht gut so wäre – dann kommt das Ärgste – es kommt mir auf einmal vor als wär jedes Wort gelogen, u. ich bin nicht im Stand ihm das zu schicken …… ich muß aus freiem frohem Herzen schreiben, oder muß es bleiben lassen – – mein Schweigen gegen ihn ist also wahr – aber wie wird er sich es erklären? kann nicht ein neuer Schaden daraus entstehen? es kann aber auch seyn, daß auf Einmal damit bezweckt wird, was Sie mir anriethen nach u. nach zu bewirken – wißen sie aber auch sicher daß die Ruhe von der Sie sagten, ihm Gut ist? Und sehen Sie, noch was: es kömmt mir auch vor, als würde Er heimlich bestohlen – O da frierts mich schrecklich, wenn ich dieß denke.

ich könnte glaub' ich, wenn so etwas seyn müste, es auf Einmal thun und geradezu sagen es muß seyn – sehen Sie, nach meinem Gefühl u. meiner Einsicht (ich weiß wohl daß ich in Vielem noch zu belehren bin, aber ich muß doch immer nach meinem besten Wissen thun) kann ein Mensch auch Nichts als seine Gestalt dem Menschen geben u. nehmen – das Inwendige tauscht Gott miteinander aus u wir wissen nicht wie es zugeht – keiner weiß wohl was eigentlich ihm od. dem andern davon angehört – aber das ganze Wesen fühlt, daß es dem andern Wesen angehört –––– die Menschen können so viel thun u wißen darüber so wenig – wüßten sie dieß nicht, so würde mehr auf der Erde gethan werden – warum liegt aber bei manchem Menschen dieß Nicht-Wißen als Stoff zu so vielem Streit in ihm? – und darf man solche Menschen treiben? – werden sie nicht in sich selbst – später – aber sicher reif? ..... ich weiß die rechten Worte nicht dazu.

Eva

Dieser schon ohnehin späte Brief wurde auch noch zu spät auf die Post besorgt, aber nicht durch mich – Dikt will ihn morgen früh auf seinem Comptoir mit d. grosen Post abschicken.

Lieber Gott wie wunderlich! – ich freue mich jezt recht innerlich daß ich Ihnen zu dem Brief, den ich eigentlich nicht gern geschrieben, doch durch diese Verzögerung ein paar Zeilen mit viel leichterem Herzen legen kann –– mein Zustand war bedeutender als ich muß wußte – ich bekam am Abend des 18ten Anhaltendes Frieren u. eine große Furcht die ich vorher nicht kannte – ich dachte, ich fragte mich immer dabei – aber ich konnte nichts bestimmtes heraus bringen –––– in der Nacht kam mirs vor, als bäte mich Th. mit aufgehobenen Händen um einen Brief – ich erwachte mit dem Gedanken – stand schnell auf u. wollte ihm schreiben und konnte nicht – ich wollte jezt daß ich Ihnen dies ausdrücken könnte –– ich war nicht im Stande kleine Worte zu schreiben, es sollte auf einmal da stehen was ich sagen wollte – und dies konnte doch nicht seyn. .…. da bat ich den lieben Gott um Verstand und Ruhe u. erhielt beides am Abend des 19ten – Frost u. Furcht verschwanden am Tage – und ich schrieb recht in freudiger Ruhe mit der Gewißheit daß es so gut wäre einen Brief an ihn –––– Und jezt fühle ich mich getröstet und gestärkt zur Erwartung wie es weiter gehen soll. O, hoffen Sie mit

Eva.

Zitierhinweis

Von Eva Hoffmann an Emanuel. Offenbach, 18. und 22. Dezember 1808, Sonntag und Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1844


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Textgrundlage

h: BJK, Berlin V, 138
Briefkopierbuch der Briefe Thieriots an Emanuel, H. 4, S. [27]–[30].


Korrespondenz

B: Von Emanuel an Eva Hoffmann. Bayreuth, 7. Oktober 1808
A: Von Emanuel an Eva Hoffmann. Bayreuth, 11. Januar 1809