Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Frankfurt am Main und Offenbach, 17. und 18. Mai 1809, Mittwoch und Donnerstag

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Menschenkind sey nicht stolz – Menschenkind sey nicht stolz – Du bist ein armer Wurm aber doch ein fröhlicher Wurm, schreib ich, da die Hofmann glücklich in die Diligence gepackt – und darin sizt wie eine Braut. Ich glückliches Radpferd.

O wenn du doch das liebliche Haus sehen könntest – Die Hofmann ist heraus – die altvätrisch mainzische Commode, bequeme Seßel, die kleinen irdenen Töpfchen wovon sie jedes so lieb hat, das ehrliche Bett, stehn in dem leichten lichten Zimmer – aber die Hofmann ist heraus. Von ihr könnte jedes Geräth, das sie berührt, Reliquie werden. Denn sie berührt schon nichts schlechtes, nichts neumodig glattes; das Stück Brod wie sie es hingelegt, sieht einen ehrlich an; ihr heilig Wesen ist offen wie Richters, wie der Yverdüner. – Sich von den alten Sachen, der heimathlichen Begleitung des Mainz ins Musikhaus zum Bruder nach Offenbach, (ihrer ersten Ausflucht vor 4–5 Jahren) so zu trennen, von ihrem Glück – am Clavier, still, innerhalb bekannter guter Wände – losgerissen zu weltfremden Gesichtern in der Diligence, ans Wirthsschild genöthigt, wo ihr ein Tröpfchen Suppe und ein Thee in der alten Kanne lieb wäre – und das Nichthalten an diesem Süßesten Unschuldigen einer Wohnstube, das Nichtehren und nicht Danken wo Brod gebrochen wird, gebrochen ist worden, ist gerade das, weswegen ich schon einzelne solcher Andenken empfängliche Herzen in Yverdon aus Yverden wie aus einem verschwemmenden Anfluten gegen solche Bächlein – habe retten wollen – wer gerade das, wogegen mir Yverden ein solches anflutendes Weltmeer schien.

Es muß also wohl etwas seyn, für was man Eva die ländliche (aber Eva die ländlich gemächliche) aus der Eintracht ihres Salzfasses und ihres Tisches (die Küche war ihr die letzten Jahre genommen), ihrer Gesprächigkeit und ihrer Umgebungen, wegbringt, als wäre sie weg – und daß man selbst als Geisel in Offenbach allein sitzen kann.

Gott stärke mich: ich hab' es gewagt.

Abschr v. Evas Briefen

Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Frankfurt am Main und Offenbach, 17. und 18. Mai 1809, Mittwoch und Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1868


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Textgrundlage

h: BJK, Berlin V, 138
Briefkopierbuch der Briefe Thieriots an Emanuel, H. 3, S. [19]–[21].


Korrespondenz

A: Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Martinlamitz, 10. Juni 1809 und Döhlau, 13. Juni 1809

Unter dem Datum des 18. Mai hat Thieriot offensichtlich Abschriften (nicht überliefert) von Briefen Eva Hoffmanns mitgeschickt; der entsprechende Vermerk dürfte von Franz von Woringens Hand stammen.