Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



|1

Rein haltensagt die Eva ist leicht – Rein machen macht mit Recht verdrießlich.

31. Jul.

Ich gehe hin. Ueber Stuttgart u. Zürich (weil man wünscht daß ich Nägeli sehe) nach Yverdon.

Ich halte die Methode für höchst gleichgültig (wenn dabei noch "höchst" seyn kann) und den Methoder für die Hauptsache. Wenn der gegenwärtige Staat die Methode befiehlt, halt' ich gar Nichts davon. Langsam eingeschränkt wachsen muß sie wie Du gewachsen bist. Einen Schutz braucht sie, der muß von Jenen kommen. Der heißt ......... nicht.

Das Gehirn treibt Blasen auf. Nimm dies als eine davon.

Pestalozzi ist gut, und da die Methode nicht gut und nicht schlecht ist, so kann sie so lang sie sein Arm ist, gutes thun. Ja solange sie die Welt nicht sucht, braucht sie die Welt nicht zu scheuen. Aber einen Zaun braucht sie doch u. Obhut.

(Yver. will hl. Eman. überreden Pestalozzis Oekonom z. werden)

Hätt' ich den Pestalozzi nicht predigen horen, beten, guten Morgen u gut Nacht geben, sein immer und von Vielen wieder ersehntes Leben in Burgdorf und im engeren Institut nicht mit in Augen gelesen, nicht ihn unter den Lehrern in der Versammlung erzählen hören, er sey Abends durch Zimmer, darin gegeßen worden, gegangen, da haben, wiewohl Niemand drin gewesen, alle Lichter gebrennt – wär doch so wenig, daß einer hinging und thät ein Licht aus, für die Haushaltung – (O, Einer der ihn wahrhaft achtete, der ihm seine Achtung zeigen könnte, denn er ist wie alle Welt von Lügen umgeben u. ich erinnere mich daß dem alten Mann sowie falsch u. scheu, schon recht grob und unhold geantwortet wurde eben damals als er das Anecdötchen vom Licht erzählt hatt' – Denn Geist, den Geist der Haushaltung ruft er beständig zurück, ich aber ruf ihm den Geist in einem Körper schon hausend) – hätt' ich das Alles nicht, hätt' ich ihn nur Vorlesung halten sehen, wie er das für Industrie, männliche u. besonders weibliche Handarbeit eingerichtet wünsche, was Methode für die Bildung des Kopfs schon leiste: so glaubt' ich, er wolle schon nur Haushaltung um sie zu lehren. Nun sollte man zwar den Andern nur mit dem sich zu eigen gemachten beschenken: indeßen kann, wie es bei der Mathematik schon geht, die Lust u. das lernen der Sache wohl auch mit dem Lehren kommen. Auf den Lehrer, auf einen recht lernenden kommts an, die übrigen auf ihre eigne Kraft aufmerksam zu machen.


Lieber Emanuel. Ich sah diesen Abend schreibend durch ein trübes Glas. Weil Ich aber nicht eigentlich die Methode sondern das Anagrammatisiren ein wenig zu lang und einsam getrieben – daraus folgt nichts gegen die Bestrebungen der Schweizer. Die Methode ist eben nicht Träumen, soviel ich einsehen kann, sondern Besinnung.

Ich sag dir das vor Schlafengehen.

Offenb. 31. Jul. 9.

"Ich hab' schon manches müßen schmerzlich anhören u ansehen – es fiel mir aber schon einigemal jener Bauer ein, der als er einen andern auf seinem magern Feld knieen u. beten sah, sagte: "hier hilft kein beten, hier muß Mist her – so hilft hier kein Klagen, es muß Sinn u. Autorität her"

– So weit Eva.

Ich habe Dir getraut, seit Du schriebst: "ein vereinigtes Leben sollten wir aus unsern zwei machen" – ich habe auf Dich gerechnet. – O wie will Gutes könnte jetzt dort [...] thun wer nur auf seinen Füßen stünde, bürgerlich und reinlich und nicht in Alles und nicht in das Weltheil sich mischend.


Zitierhinweis

Von Paul Emile Thieriot an Emanuel. Offenbach, Ende Juli 1809. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1878


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage

h: BJK, Berlin V, 138
Briefkopierbuch der Briefe Thieriots an Emanuel, H. 3, S. [25]–[28].


Korrespondenz

A: Von Emanuel an Paul Emile Thieriot. Bayreuth, 23. August 1809