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Yverdon.

Freund. Ja , ich habe gesagt, die Ökonomie ist um der Anstalt und nicht die Anstalt um der Ökonomie willen da . Aber das Glas, in dem Du Quecksilber aufbewahrst, ist ja auch um des Quecksilbers und nicht das Quecksilber um des Glases willen da, und doch, wenn Du zum Glas nicht Sorge trägst, so lauft dir Dein Quecksilber weg und zerteilt sich in alle vier Winde.

Aber wozu die Gleichnisse, warum nicht lieber die einfache Wahrheit? Wir möchten Dich gern haben mit deinem Herzen, mit Deiner Liebe, mit Deiner Unschuld u. mit Deiner Kraft – komm' doch, das Uebrige giebt sich Alles von selbst, wo du mit Deinem Geist und mit Deinem Herzen ganz bist, da fehlt es nicht, da kannst Du auch nüzzen u. Dank u. Liebe finden . Bring nur Alles Vertrauen auf Dich selbst u. auf die die Dich lieben mit – Du wirst damit nicht zu Schanden werden – Von mir u. von allen unsern Umgebungen erwarten so viel Gutes als Dir Deine eignen Erfahrungen noch erlauben zu erwarten, aber nicht mehr – Die Umstände beherrschen auch die besten Menschen u ich bin alt, müde und voll Furcht – ich bin kaum mehr eines Menschen Stütze u. brauche Viele von denen die ich liebe als meine eigenen Stützen.

"Die großen Sachen u. die Sachen die groß klingen, drücken mich täglich mehr" – ich weiß nicht was Du meinst, aber daß die großen Sachen u. der Schein der großen Sachen mich drücken, das ist gewiß – ich möchte gern einfach u. schlicht durch die Welt gehen und vermag es nicht mehr. Ich muß durch alles Gewirr und durch allen Drang unnatürlicher Verhältnisse – um andere für ein festes Leben in natürlichen Verhältnissen vorzubereiten. Wäre ich nur jung – ich sähe dann das Ende meiner gewaltsamen freundlos unerträglichen Stellung. Aber so ende ich nur mit dem Tod einen Zustand der über meine Kräfte u. doch meine Pflicht ist – Lieber – komm' zu uns – Wir freuen uns Deiner – Jgfr. Hoffmann ist uns allen lieb. Sie schickt sich mit Ueberwindung an die Wahrheit der bösen Welt. Adieu

Dein P.


Zitierhinweis

Von Johann Heinrich Pestalozzi an Paul Emile Thieriot. Yverdon, Ende Juli 1809. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1879


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Textgrundlage

h: BJK, Berlin V, 138
Briefkopierbuch der Briefe Thieriots an Emanuel, H. 3, S. [29]–[30].

D: Johann Heinrich Pestalozzi. Sämtliche Briefe, hg. vom Pestalozzianum und der Zentralbibliothek Zürich. Bd. 6: Briefe aus den Jahren 1808 und 1809, bearb. von Emanuel Dejung, Zürich 1962, S. 194f., Nr. 1609 [an "Nabholz?" adressiert, datiert auf Anfang August 1809]. – Der Brief wurde erneut in der gleichen Ausgabe abgedruckt, diesmal mit dem Adressaten Johann Elias Mieg, datiert auf März 1813; vgl.: Johann Heinrich Pestalozzi. Sämtliche Briefe, hg. vom Pestalozzianum und der Zentralbibliothek Zürich. Bd. 8: Briefe von Anfang 1812 bis Herbst 1813, bearb. von Emanuel Dejung, Zürich 1966, S. 248f., Nr. 3327.


Korrespondenz

Zur Datierung: Geschrieben nach Eva Hoffmanns und vor Thieriots Ankunft (1. Juni und 15. August 1809) in Yverdon, vermutlich Ende Juli 1809, als Thieriot den Entschluss fasste, auch nach Yverdon zu gehen.